Wann begannen unsere Vorfahren, regelmäßig Tiere zu jagen und zu essen? Eine erste Antwort liefern nun Analysen von rund 3,5 Millionen Jahre alten Zähnen des Australopithecus aus Südafrika. Sie enthüllen, dass der Speiseplan dieses Vormenschen noch dem der Affen entsprach: Er ernährte sich vorwiegend vegetarisch und aß fast nie Fleisch, wie Forschende in „Science“ berichten. Demnach muss der Wechsel zum Jäger und Sammler erst später stattgefunden haben.
Die Jagd auf Tiere und der Genuss von Fleisch gelten als wichtige Triebkräfte der menschlichen Evolution – und als Voraussetzung für unser größeres Gehirn. Denn Fleisch liefert mehr Kalorien, Proteine und Nährstoffe als pflanzliche Kost und macht die Ernährung dadurch effizienter. Gängiger Theorie nach ermöglichte daher erst der Wandel vom Pflanzenfresser zum Jäger und Sammler das größere Hirnwachstum unseren Vorfahren. Zudem verschaffte es ihnen mehr Zeit, um kulturelle Innovationen zu entwickeln.
Wann änderte sich der Speiseplan?
Doch wann wurden unsere Vorfahren zu Jägern? Funde von Schlachtplätzen und Schnittspuren an Tierknochen legen nahe, dass Frühmenschen wie der Homo erectus schon vor rund zwei Millionen Jahren Tiere jagten. Strittig ist jedoch, ob auch ihre Vorgänger schon Fleischesser waren – beispielsweise Vormenschen der Gattung Australopithecus. Sie lebten vor gut drei Millionen Jahren im südlichen und östlichen Afrika und auch einige von ihnen stellten schon Werkzeuge her.
„Strittig ist jedoch, ob die Australopithecinen diese Werkzeuge gezielt herstellten, um damit Tiere zu jagen und zu zerlegen „, erklären Tina Lüdecke vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und ihre Kollegen. Grund dafür ist ein Mangel an klaren Beweisen, denn ausgerechnet die dafür wichtigste Analysemethode funktionierte bei so alten Relikten bisher nicht: die Analyse der Stickstoffisotope. Das Verhältnis des schwereren 15N zum leichteren 14N verrät dabei, wie weit oben ein Tier in der Nahrungskette steht und wie viel Fleisch es konsumiert.
Das Problem: Das für diese Isotopenanalysen notwendige organische Material in Knochen, Haaren, Krallen oder Zahnwurzeln bleibt nur wenige zehntausend Jahre gut genug erhalten. Die Vormenschenfossilien sind aber mehrere Millionen Jahre alt.
Spurensuche im Zahnschmelz
Lüdecke und ihr Team haben nun jedoch eine Lösung gefunden. Zum einen untersuchen sie nicht Knochen oder andere leicht degradierende Materialien, sondern den Zahnschmelz. Er besteht vorwiegend aus mineralischen Verbindungen und ist daher sehr haltbar. „Eine geringe Menge an organischem Material ist aber zwischen und in diesen dicht gepackten Kristalliten eingeschlossen und dadurch geschützt“, erklärt das Team.
Zum anderen kommt den Forschenden eine neue Technik zu Hilfe. Sie macht es erstmals möglich, selbst diese winzigen Mengen an Material hochaufgelöst isotopisch zu analysieren. Die dafür nötigen Analysegeräte gibt es bisher nur zweimal auf der Welt – am MPI in Mainz und an der Princeton University in den USA.
Lüdecke und ihr Team haben dies genutzt, um Zahnschmelzproben von sieben 3,3 bis 3,7 Millionen Jahre alten Australopithecus-Fossilien aus der Sterkfontein-Höhle in Südafrika zu untersuchen. Die Stickstoff- und Kohlenstoff-Isotopenwerte der Vormenschen verglichen sie mit denen von Pflanzenfressern wie Antilopen und Affen, aber auch Fleischfressern wie Hyänen, Schakalen und Großkatzen.
Australopithecus war noch kein Fleischesser
Das Ergebnis: Die Stickstoff-Isotopenwerte der Vormenschen stimmten mit denen der Pflanzenfresserproben weitgehend überein. „Die Australopithecinen hatten sogar einige der niedrigsten 15N-Werte aller modernen und fossilen Vergleichsdaten“, berichten Lüdecke und ihre Kollegen. Dafür zeigten sich signifikante Unterschiede zu den Werten der Fleischfresser: „Es gibt nahezu keine Überlappungen zwischen den beiden. Damit deuten die Daten auf eine Ernährung ohne substanzielle Anteile von Fleisch für diese frühen Homininen hin“, so das Team.
Der Australopithecus war demnach primär Vegetarier. Fleisch stand so gut wie nie auf seinem Speiseplan. Allerdings könnten diese Vormenschen durchaus anderes tierisches Eiweiß verzehrt haben, beispielsweise Vogeleier oder Termiten. „Der Konsum dieser Insekten könnte eine wichtige Komponente der Vormenschenkost gewesen sein, weil sie wichtige Nährstoffe liefern, aber ohne Risko zu erbeuten sind“, erklären die Forschenden.
Speiseplan wie ein Menschenaffe
Die neue Erkenntnisse bedeuten aber auch: Little Foot und andere Vertreter des Australopithecus ernährten sich noch genauso wie ihre Vorfahren und äffischen Zeitgenossen. Auch sie aßen noch vorwiegend Früchte, Nüsse, Blätter und anderen pflanzliche Produkte. Allerdings zeigten die Vormenschen aus der Sterkfontein-Höhle eine größere individuelle Isotopen-Bandbreite als Affen, Antilopen und andere reine Pflanzenfresser, wie die Forschenden feststellten.
Nach Ansicht von Lüdecke und ihrem Team deutet dies darauf hin, dass diese Vormenschen in seltenen Fällen auch mal Fleisch verzehrten – ähnlich wie es heute noch Schimpansen oder Paviane tun. „Angesichts der Tatsache, dass unsere nächsten Verwandten unter den Primaten tierische Ressourcen in dieser Weise nutzen, wäre es logisch anzunehmen, dass auch unsere frühen Vorfahren sich ähnlich verhielten“, konstatieren Lüdecke und ihre Kollegen.
Die Suche geht weiter
Damit scheint klar, dass zumindest die frühen Australopithecinen in Südafrika den Wandel zum typisch menschlichen Speiseplan noch nicht vollzogen hatten. Offen bleibt aber, wie dies bei den Vormenschen in Ostafrika, darunter der berühmten Australopithecus-Frau „Lucy“ aussah. Lüdecke und ihr Team planen bereits, in naher Zukunft weitere Homininenarten daraufhin zu untersuchen. (Science, 2025; doi: 10.1126/science.adq7315)
Quelle: Science, Max-Planck-Gesellschaft